Es beginnt zu dämmern, 18 Uhr zeigt die Uhr. Ich trage meine vier Wochen alte Tochter durchs Wohnzimmer. Sie schreit. Und das schon fast zehn Minuten. Für mich als Mutter zehn Minuten zu viel. Ich wippe. Und wiege. Und summe und singe. Nichts hilft – sie schreit. Ab dem Tag ihrer Geburt plagt sie Bauchweh, zumindest denke ich das. Und jetzt? Warum schreit sie? Wieder Bauchweh? Fehlt ihr was? Ich wollte sie doch nie schreien lassen! Und jetzt schreit sie. Ich laufe auf und ab mit ihr.
Es wird nicht besser
Fünfzehn Minuten. Lege sie irrwitziger Weise in die Wiege und hoffe das sie vielleicht nur flach liegen will. Sie hört nicht auf. Ich nehm sie wieder raus und fahre meinen wippen-summen-singen-Tanz fort. Und fühl mich wie die schlechteste Mutter der Welt, die es nicht schafft ihr eigenes Kind nicht schreien zu lassen. Ein paar Minuten später hört sie auf und schläft ein. „Was hatte sie denn?“ fragt mein Mann. Und ich hab keine Antwort. Nur das ich weiß, das es morgen wie alle Abende zuvor wieder um 18Uhr los gehen wird.
2,5 Jahre später
Es geht gegen Abend zu. Manchmal ist es 17Uhr, manchmal erst 19Uhr. Mein vier Wochen alter Sohn windet sich und fängt an ächzende Laute von sich zu geben. Ich biete ihm die Brust an, er will nicht. Wenn ich es nicht gerade schon getan habe, bringe ich ihn ins Bad und halte ihn zur über dem Wachbecken ab. Mittlerweile werden seine Klagelaute dringlicher. Manchmal kommt was, manchmal nicht. Ich ziehe ihn wieder an.
Keine Panik – hier ist alles okay
Meine Handgriffe werden nicht fahrig, nicht hektisch – auch wenn er jetzt schreit. Natürlich stresst es mich, natürlich hätte ich jetzt gerne ein zufriedenes Baby. Aber ich akzeptiere ihn so wie er jetzt gerade ist. Ich ziehe ihn nicht langsamer als nötig aber auch nicht fahrig und in seine Panik einstimmend an. Hier ist alles okay, es gibt keinen Grund hektisch zu werden.
Ich trage ihn ins Wohnzimmer, mache bis auf eine Lampe das Licht aus und lege ihn mir auf die Brust. Meine Beine winkle ich an, bis sie seine Fußsohlen berühren sodass er auch die Knie anziehen muss. Eine Hand auf seinen Rücken, eine auf den Kopf.
Und er weint. Weil Babys den Tag nunmal am Abend verarbeiten. Weil er klein ist und das schwer ist für ihn. Weil es dunkel wird und ihm das Angst macht und er spüren will das er nicht allein gelassen und gefressen wird.
Er ist nie allein – und er darf sich Luft machen
Und ich gebe ihm genau das. Die Sicherheit, einen Raum und eine Möglichkeit auszudrücken wie schwer es ist klein zu sein. Er ist nicht allein, ich bin da. Ich schuckele und Schaukel nicht, denn es darf schreien. Es ist normal. Es gehört dazu. Und ich bin da. Keine drei Minuten später hört er auf. Wir gehen in die Küche und ich esse Abendbrot mit meinem Mann und meiner Tochter, während ich mein Baby im Arm halte.
Schreien lassen und schreien dürfen – der Unterschied
Ich schreibe diese zwei sehr Unterschiedlichen Situationen die ich beide so erlebt habe auf, um die Differenz von schreien lassen und schreien dürfen nochmal aufzuzeigen. Es wird immer wieder gesagt „lass dein Kind nicht schreien! Leg es nicht ins Bett und geh raus! Kein Schlaftraining!“ und auch wenn ich dem ganzen absolut zustimmen möchte, möchte ich mit dem Artikel auch sagen das Babys trotzdem schreien dürfen.
Abendliche Unruhe Phasen bei Babys sind ganz normal und sicher hat damit auch der unreife Darm etwas zu tun. Also vielleicht war meine Vermutung von vor drei Jahren auch richtig. Oder nicht. Und sie hatte einfach was so viele Babys gen Abend haben: Bauchsehnsucht. Weltschmerz. Allgemeine Unzufriedenheit.
Ziel eines bedürfnisorientierten Umgangs ist es nicht, dass das Baby niemals schreit. Sondern das es niemals dabei allein gelassen wird.
Was auch immer es war – wichtig ist es das Baby darin zu begleiten. Stellt euch vor ihr werdet von eurem Mann verlassen und wollt euch bei eurer besten Freundin ausheulen und ihr erzählen was euch schreckliches widerfahren ist. Aber erstmal fängt sie selbst an hysterisch zu weinen, denn jetzt ist wirklich alles verloren, meint sie. Hilft euch das? Dann würgt sie euch mitten im Satz ab und ruft aufgebracht, das sie jetzt so gern eine Serie gucken würde. Oder was kochen. Oder Eis essen. Sie fährt jetzt Eis holen! Für dich! Damit’s Dir besser geht. Aber du willst keine Serie und nicht kochen und kein Eis. Eigentlich willst du einfach nur jemanden der Dir zuhört und dich mal fest in den Arm nimmt. Der für dich da ist. Und der Dir vertraut ist.
Kennt ihr diese Unruhige Phase auch von euren Babys? Was hat euch geholfen?
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